Grundlagen BIM

Konzept BIM

In dem folgenden Kapiteln werde ich dir die grundlegenden Konzepte der BIM-Methodik kurz aus Sicht der objektplanerischen Praxis in der Landschaftsarchitektur erläutern. Die Planungsmethodik BIM ist kein in sich abgeschlossenes Konzept eines Akteurs, sondern wird seit den 1990er Jahren von verschiedenen überwiegend europäischen Akteuren oftmals im Rahmen von EU-Forschungsprojekten entwickelt.

Themen: BIM-Einführung in Deutschland, Kooperation im Planungsteam, Building Life Cycle, Quelle der Wahrheit

 

BIM-Einführung in Deutschland

Mit Veröffentlichung des ersten Teils der ISO 19650-1:2018 „Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) - Informationsmanagement mit BIM“ wurde seit 2018 ein internationaler Standard zur BIM-Methodik definiert, der bis 2023 um vier weitere Teile ergänzt wurde, so dass eine vollständige international verbindliche Normierung für alle Planungs-, Realisierungs- und Betriebsprozesse vorliegt:

  • Teil 1: Begriffe und Grundsätze (ISO 19650-1:2018)
  • Teil 2: Planungs-, Bau- und Inbetriebnahmephase (ISO 19650-2:2018)
  • Teil 3: Betriebsphase der Assets (ISO 19650-3:2020)
  • Teil 4: Informationsaustausch (ISO 19650-4:2022)
  • Teil 5: Spezifikation für Sicherheitsbelange von BIM, der digitalisierten Bauwerke und des smarten Assetmanagements (ISO 19650-5:2020)

Anfang 2020 wurde mit BIM Deutschland ein nationales Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens gegründet. Dieses Zentrum wird aktuell vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) betrieben. Es ist die zentrale öffentliche Anlaufstelle des Bundes für Informationen und Aktivitäten rund um Building Information Modeling (BIM).

Im Portal BIM-Wissen von BIM Deutschland wird der aktuelle Entwicklungsstand BIM für Deutschland in verschiedenen Publikationen für unterschiedliche Fachrichtungen zusammengefasst:

  • Hochbau: Masterplan BIM für Bundesbauten
  • Fernstraßen: Masterplan BIM-Bundesfernstraßen
  • Eisenbahn: BIM-Strategie der Deutschen Bahn
  • Wasserstraßen: BIM-Masterplan für die Wasserstraßen

Wie aus der Auflistung zu erkennen ist, gibt es aktuell keinen BIM-Masterplan für die Freiraumplanung als eigenständige Fachdisziplin. Dieser durch die Fokussierung auf den Hochbau und die Infrastruktur entstandenen Mangel an Normierung für die Freiraum- und Landschaftsplanung führt zu der oft geäußerten Behauptung, die Landschaftsarchitektur sei methodisch noch nicht „reif“ zur Mitarbeit im BIM-Prozess. Diese Einschätzung ist absolut falsch und ich werde dir in den folgenden Kapiteln erläutern, wie auch die Landschaftsarchitektur vollwertig in einen BIM-Prozess integriert werden kann.

Eine gute und leicht auf die Landschaftsarchitektur übertragbare Ressource zu den Grundlagen der BIM-Prozesse bietet das Portal Bim4Infra2020 der Arbeitsgemeinschaft des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Umsetzung des BIM-Stufenplans für Infrastrukturprojekte des Bundes. In zahlreichen Leitfäden, Mustern und Handreichungen wurden Ende 2019 die Grundlagen zur Abwicklung von BIM-Leistungen definiert und veröffentlich. Insbesondere die Handreichungen stellen viele Grundlagen für die Landschaftsarchitektur und damit auch für diese Homepage dar.

Aktuell erfolgt durch BIM Deutschland eine Harmonisierung und Anpassung der BIM-Grundlagen zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen. Soweit für die Landschaftsarchitektur sinnvoll, werde ich diese harmonisierten Grundlagen verwendet.

 

Kooperation im Planungsteam

Die grundlegende Idee der Planungsmethodik BIM ist es einen transparenten Planungsprozess zu etablieren, in dem die beteiligten Disziplinen sich über Planungsthemen nicht bilateral untereinander anhand von Planzeichnungen und -texten abstimmen, sondern es ein zentrales dreidimensionales Objekt, das Koordinationsmodell als zentrales Abstimmungs- und Planungsmittel gibt. Anhand dieses Koordinationsmodells können die zentralen Planungsthemen mit den Bauherren, Fachplanern und Bauausführenden effizient diskutiert, geprüft und bewertet werden.

Kooperation Planungsbeteiligte ohne und mit BIM

Durch die dreidimensionale Darstellung der Bauteile wird die Kommunikation zwischen den Beteiligten deutlich vereinfacht. Eine Decodierung von Planzeichen und -darstellungen der zweidimensionalen Planzeichnungen inkl. der fehleranfälligen Annahme über die dreidimensionale Absicht der Zeichnung entfällt. Auch nicht Fachplaner können so sinnvoll in den Planungsprozess integriert werden.

Das Koordinationsmodell wird aus den Fachmodellen der Planer erstellt und wird in einem genormten, offenen, programm- und plattformübergreifenden IFC-Format zur Verfügung gestellt. Die Bauteile im IFC-Modell sind mit planungsrelevanten Attributen beschrieben. Die Geometrie und Attribute der IFC-Modelle sind mit kostenfreien Viewern auf allen digitalen Endgeräten zu lesen und können mit Kommentaren zur Kommunikation ergänzt werden.

 

Building Life Cycle – Bauwerkslebenszyklus

Bisher lieg der Fokus der Landschaftsarchitektur in der Praxis überwiegend auf Planung und Bau von Freianlagen. Die darüberhinausgehenden Themen wie Unterhaltung, Pflege oder Rückbau von Freianlagen spielen in der Planung oftmals eine eher untergeordnete Rolle. Vor dem Hintergrund der zeitlichen Dynamik in der Vegetationsentwicklung wie auch der aktuellen Diskussion um die ökologische Nachhaltigkeit von Freianlagen ist das eine sehr unbefriedigende Situation. Durch Einführung der BIM-Methode wird der planerische Blick auf den gesamten Lebenszyklus einer Freianlagen erweitert.

Mit den in den 1980er Jahren initialisierten Studien zu den Lebenszykluskosten von Bauwerken wurde deutlich, dass im gesamten Lebenszyklus einer Freianlage die Herstellungskosten maximal 30%, die Folgekosten jedoch mind. 70% betragen. Daher ist es für eine zukunftsfähige Bauweise sinnvoll, nicht nur die Herstellungskosten zur Grundlage von Planungsentscheidungen zu machen, sondern auch die aufgrund der gewählten Bauweisen entstehenden Folgekosten. Im Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) der Bundesregierung sind die Lebenszykluskosten der Außenanlagen ein Bewertungskriterium.

Building Life Circle

Neben der ökonomischen Qualität einer Freianlage gibt es natürlich noch zahlreiche weitere Qualitäten wie ökologische oder technische Qualitäten, die über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage geplant und vor allen auch dokumentiert werden müssen. Da der Lebenszyklus einer Freianlage mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte beträgt, müssen auch diese Daten über diese langen Zeiträume strukturiert abgelegt und archiviert werden.

In der Planungsmethode BIM sind daher nicht nur Anwendungsfälle für das Planen und Bauen sondern auch für das Dokumentieren, Betreiben und Unterhalten definiert, so dass der gesamte Lebenszyklus einer Freianlage behandelt wird.

 

Eine Quelle der Wahrheit

Ein fundamentales Konzept zur Steigerung von Qualität und Effektivität im Planungsprozess ist die Definition des BIM-Modells als die eine Quelle der Wahrheit. Dabei dient das BIM-Modell als Container zur zentralen Ablage aller planungsrelevanten Daten wie Geometrien, Attribute, logischen Verknüpfungen, Termine, Kosten bis hin zu Wartungsanleitungen des Bauwerks. Aus den Daten des BIM-Modells werden dann alle Arbeitsunterlagen wie Pläne und Schnitte oder Leistungsverzeichnisse abgeleitet. Dabei meint der Begriff abgeleitet eine weitgehend automatisierte Erstellung von z.B.:

  • Lageplan oder Schnitt aus den Geometrien des 3D-BIM-Modells ohne manuelle zeichnerische Überarbeitung durch den Planer
  • Massenermittlung inklusive Übergabe der Daten an die entsprechenden Positionen im Leistungsverzeichnis
  • Übertrag der Bauteilattribute in die Leistungsbeschreibungen
  • Erstellung von Bauablauf- und -zeitplanungen anhand von Liefer- und Montagezeiten der Bauteile

Der Vorteil der Ableitung liegt dabei in der Konsistenz der Inhalte zwischen allen Arbeitsunterlagen, da eine Änderung im BIM-Modell automatisch an alle Ableitungen weitergegeben wird. Eine Abweichung der Inhalte von z.B. Lageplan und Schnitt ist bei dieser Arbeitsweise ausgeschlossen. Die Planungsqualität und -effektivität steigt aufgrund der entfallenden manuellen Anpassungen.

Quelle der Wahrheit

Das langfristige Ziel im BIM-Prozess ist, die heute noch gebräuchlichen historisch tradierten Arbeitsmaterialien wie Planzeichnungen oder Leistungsverzeichnisse komplett durch das BIM-Modell zu ersetzen. So können heute schon in einigen Ländern, wie z.B. Finnland, digitale BIM-Modelle als Bauantrag eingereicht werden. Die Prüfung des Bauantrags auf Übereinstimmung mit dem Baurecht erfolgt dann automatisch anhand des Modells, der zuständige Sachbearbeiter kontrolliert dann nur noch die Prüfergebnisse und kann die Baugenehmigung innerhalb kurzer Zeit erteilen.

BIM LA

 

Matthias Funk
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