Die BIM-Ziele unterscheiden sich während des Planen und Bauens nicht grundlegend von den Zielen eines klassischen Planungsworkflows, da die Errichtung eines Bauwerks zu definierten Kosten und Terminen auch hier ein wesentliches Planungsziel definieren. Vor dem Hintergrund des Lebenszyklus eines Bauwerks werden diese Ziele jedoch um weitere Themen des Betreibens, der Unterhaltung und der Sanierung ergänzt.
Themen: BIM-Ziele, BIM-Anwendungsfälle
Während für einen klassischen Planungsprozess z.B. in der HOAI keine Anforderungen an die eigentlichen Planungsmethoden gestellt werden, sind im BIM-Prozess Anwendungsfälle definiert, die einen Weg aufzeigen, wie das Planungsziel erreicht werden kann.
Das Ziel „Konsistente Pläne“, also die widerspruchsfreie Darstellung des Bauwerks auf allen Lageplan-, Schnitt- und Detailzeichnungen verlangt in der klassischen Planungsweise einen hohen Aufwand an Kontrolle zwischen den nicht miteinander verknüpften Zeichnungen. Mit welchem Arbeitsprozess diese Kontrolle umgesetzt wird, entscheidet jedes Planungsbüro eigenständig. In der BIM-Methodik wird dieses Ziel durch die automatisierte und dynamische 2D-Planableitung aus dem 3D-Modell erreicht. Eine Änderung der Planung, die nur im 3D-Modell durchgeführt werden kann, wird damit automatisch in alle abgeleiteten Plandarstellungen übernommen. Die Konsistenz der Plandarstellungen wird bei Durchführung des Standard-Anwendungsfalls „080 Ableitung von Planunterlagen“ erreicht.
Eine Übersicht der bisher von BIM Deutschland definierten übergeordneten Anwendungsfälle und des Levels ihrer Einführung ist in der folgenden dargestellt. Je nach Projekterfordernis können weitere Anwendungsfälle definiert werden.
Die Einführung für Baumaßnahmen des Bundes erfolgt zeitlich gestaffelt nach den Level I – III in Abhängigkeit der Größe der Baumaßnahme:
- Level I ab Ende 2022 für alle Baumaßnahmen
- Level II ab Mitte 2023 für Baumaßnahmen > 50 Mio. € und ab Mitte 2025 für alle Baumaßnahmen
- Level III ab Mitte 2025 für Baumaßnahmen > 50 Mio. € und ab Mitte 2027 für alle Baumaßnahmen
Harmonisierte Liste der Anwendungsfälle (vereinfacht nach BIM Deutschland)
Nr. |
Anwendungsfall |
Beschreibung |
Level |
000 |
Grundsätzliches |
Optionale zusätzliche Anwendungsfälle als Grundlage für die Beauftragung der folgenden Anwendungsfälle. |
ohne |
010 |
Bestandserfassung und |
Erfassung der wesentlichen Aspekte des Bestandes durch ein geeignetes Aufmaß und Überführung in ein Bestandsmodell. |
I |
020 |
Bedarfsplanung |
Erstellung eines generischen Bedarfsmodell zur Bedarfsplanung. |
I |
030 |
Planungsvarianten |
Erstellung von Planungsvarianten als BIM-Modell zur Vereinfachung der Analyse und Bewertung hinsichtlich Kosten, Terminen, baulich-konstruktiver Gestaltung bzw. Qualitäten. |
I |
040 |
Visualisierung |
Visualisierung unter Zuhilfenahme der BIM-Modelle, ergänzt um weitere Objekte und Informationen und/oder grafisch aufbereitet als Basis für die Projektkommunikation oder Öffentlichkeitsarbeit. |
I |
050 |
Koordination der Fachgewerke |
Regelmäßiges Zusammenführen der Fachmodelle in einem Koordinationsmodell mit anschließender automatisierter Kollisionsprüfung, systematischer Konfliktbehebung und Prüfung weiterer Kriterien. |
I |
060 |
Planungsfortschrittskontrolle und Qualitätsprüfung |
Nutzung des Modells für die Planungsfortschrittskontrolle als Grundlage des Controllings sowie die Durchführung der Qualitätsprüfung der Planung inkl. der Abnahme der Leistung in den vordefinierten Meilensteinen und Planungsfreigabe durch den Auftraggeber. |
I |
070 |
Bemessung und Nachweisführung |
Nutzung des Modells für Bemessung und Nachweisführung, einschließlich etwaiger Simulationen wie Überflutung, Lärm- und Schadstoffausbreitung. |
III |
080 |
Ableitung von Planunterlagen |
Ableitung relevanter Teile der Planung aus dem Bauwerksdatenmodell und Überführung in 2D-Planformate. Maßstab, Darstellung und Planinhalte entsprechen hierbei den jeweiligen Richtlinien und Regelwerken bzw. Projektanforderungen. |
I |
090 |
Genehmigungsprozess |
Durchführung der Prüfläufe zur behördlichen/hoheitlichen Freigabe der Planung, Prüfung, Genehmigung auf Basis von BIM-Modellen und den daraus abgeleiteten zusätzlichen erforderlichen Unterlagen unter Beachtung regulativer Vorgaben. |
III |
100 |
Mengen- und Kostenermittlung |
Ermittlung strukturierter und bauteilbezogener Mengen anhand des Modells und Aufstellung der Kostenschätzungen und -berechnungen nach üblichen Kostengliederungen. |
II |
110 |
Leistungsverzeichnis, Ausschreibung, Vergabe |
Modellgestütztes Erzeugen mengenbezogener Positionen des Leistungsverzeichnisses sowie modellbasierte Ausschreibung, Vergabe und Angebotsabgabe. |
II |
120 |
Terminplanung der Ausführung |
Nutzung eines durch Verknüpfung von Vorgängen der Terminplanung mit den zugehörigen Modellelementen erstellten 4D-Modells zur Darstellung und Überprüfung des geplanten Bauablaufs. |
III |
130 |
Logistikplanung |
Unterstützung der Planung und Kommunikation von Logistikabläufen (Baustelleneinrichtung, Baustelleninfrastruktur, Verkehrsphasen, Verkehrsführung) auf Basis von 4D-Modellen. |
III |
140 |
Baufortschrittskontrolle |
Nutzung des Modells für die terminliche Baufortschrittskontrolle als Grundlage des Projekt-Controllings. |
II |
150 |
Änderungs- und Nachtragsmanagement |
Nutzung des Modells zur Dokumentation, Nachverfolgung und Freigabe von Planungsänderungen während der Bauausführung und zur Erfassung von Nachträgen. |
II |
160 |
Abrechnung von Bauleistungen |
Nutzung des Modells zur regelmäßigen Dokumentation und zur Plausibilisierung von Bauleistungen und Abschlagsrechnungen. |
III |
170 |
Abnahme- und Mängelmanagement |
Nutzung des Modells zur Verortung und Dokumentation von Ausführungsmängeln und deren Nachverfolgung zur Behebung sowie zu klärender Punkte. |
II |
180 |
Management der Inbetriebnahme |
Digitale, modellbasierte Unterstützung der Aufgaben des Inbetriebnahmemanagements von der Planungsphase, über die Bauausführung bis hin zur Übergabe in den bestimmungsgemäßen Betrieb. |
I |
190 |
Projekt- und Bauwerksdokumentation |
Erstellung eines Wie-gebaut-Modells als „digitale Bauwerksakte“ mit detaillierten Informationen zur Ausführung, z. B. verwendete Materialien und Produkte sowie ggf. Verweise auf Prüfprotokolle und weitere Dokumente. Einbindung weiterer Informationen und Dokumentationen, z. B. kaufmännischer Dokumentationen. |
I |
200 |
Nutzung für Betrieb und Erhaltung |
Übernahme von Daten aus dem Wie-gebaut-Modell in entsprechende Systeme des Erhaltungsmanagements, Darstellung und ggf. Bewertung des Bauwerkszustandes im Modell sowie Aktualisierung des Modells im Falle von Instandsetzungsmaßnahmen. |
ohne |
In den seltensten Fällen werden alle Anwendungsfälle bei allen Architekten und Fachplanern beauftragt. Welche dieser Anwendungsfälle im jeweiligen Projekt bei welchem Planer beauftragt sind, muss mit Vertragsabschluss in den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA siehe Kapitel Planungssoll AIA) vereinbart werden. Wie genau die Prozesse der einzelnen Anwendungsfälle durchgeführt werden, ist im BIM-Abwicklungsplan (BAP siehe Kapitel Planungsorganisation BAP) für das jeweilige Projekt definiert.
Die für den Hoch- und Infrastrukturbau definierten Anwendungsfälle sind alle auch in der Landschaftsarchitektur anwendbar. Dabei handelt es sich nicht um vollkommen neuartige Planungsleistungen im Sinne der HOAI. Die mit den Anwendungsfällen beschriebenen Planungsprozesse lassen sich vielmehr den Leistungsphasen des Leistungsbilds der Freianlagenplanung zuordnen.
Welche Anwendungsfälle im jeweiligen Projekt zu erbringen sind, ist im Planungssoll der AIA definiert. Für ein typisches BIM-Projekt, dass in der Leistungsphase 5 an einen Generalunternehmer übergeben wird, könnte sich folgende beabsichtigte Beauftragung ergeben. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Anwendungsfälle sowohl Grundleistungen als auch besondere Leistungen betreffen können.